Spritztour im SLS AMG Roadster

Bild vom SLS AMG Roadster

Ich rieche noch immer nach Endorphin, Adrenalin und Dopamin, denn heute war definitiv einer dieser Tage, die noch sehr lange im Gedächtnis haften bleiben und nachwirken werden: Unser Lieblingssternverkäufer Sven hat uns vor einer Woche eine Einladung für die AMG-Tage seines Mercedes-Benz Autohauses zukommen lassen. Erleben Sie handgefertigte Ingenieurskunst und Performance, so hiess es darin. Heraus gekommen ist eine Spritztour in der Roadster-Version R 197 des Flügeltür-Supersportlers SLS, was für „Sport Leicht Super“ steht. Flügeltüren kann der SLS Roadster zwar nicht bieten, dafür aber ein versenkbares Stoffdach für das geliebte Frischluftvergnügen und natürlich auch die Rahmendaten der geschlossenen Version:

Für den Vortrieb des 1660kg schweren Fahrzeugs sorgt ein Saugmotor mit einem gewaltigen 6,2 Liter Hubraum und Trockensumpfschmierung. Diese Maschine entfaltet 571 PS (420 kW) und ein Drehmoment von 650 Nm. Um solche Kräfte kontrolliert auf den Asphalt zu bringen, kommt ein 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe an der Hinterachse und ein mechanisches Sperrdifferential zum Einsatz. So ausgestattet katapultiert sich der Roadster brachial nach vorne: In nur 3,8 Sekunden geht es von 0 auf 100 km/h, erst bei der Höchstgeschwindigkeit von 317 km/h endet der unbändige Vortrieb. Damit diese immense kinetische Energie bei Bedarf auch schnell wieder abgebaut werden kann, ist unser Fahrzeug mit schwimmend gelagerten Verbund-Bremsscheiben aus Keramik ausgestattet. Als Fahrwerk dient in unserem Modell das AMG Ride Control-Sportfahrwerk mit elektronisch geregelten Dämpfern. Soviel zur Theorie, denn in der Praxis sorgen all diese technischen Details für pure Emotionen.

Wir sind dem SLS Roadster das erste Mal im September 2011 auf der IAA in Frankfurt begegnet, er wurde unerreichbar für das Publikum nebem dem Konzeptcar F125! auf der Show-Bühne präsentiert. Aber heute war der Tag an dem es hiess: „Einsteigen, bitte“.

Die Ernüchterung folgte unmittelbar nach dem Platz nehmen auf dem Fahrersitz, der in diesem Boliden wohl treffender als Pilotensitz bezeichnet werden sollte. Auch wenn man im Cockpit von feinsten Materialien wie Leder, Alcantara und Carbon umgeben ist: Für einen 1,93m großen Piloten bietet auch dieser Super-Mercedes nicht sehr viel mehr Raum als der kleinere und wesentlich günstigere SLK. Ein Druck auf den roten Starttaster in der Mittelkonsole macht diesen Eindruck jedoch sofort vergessen, denn der Achtzylinder erwacht lautstark blubbernd zum Leben. Nach kurzer Einweisung in die Besonderheiten des SLS („Die Motorhaube ist noch länger als man denkt, das dreistufige ESP bleibt voll aktiviert, die Parkstellung P des Automatikgetriebes wird über einen kleinen Taster neben dem Getriebe-Joystick aktiviert und nicht erschrecken, wenn der Heckflügel bei 120km/h im Rückspiegel auftaucht“) rollen wir unter einem kräftigen Grummeln des Triebwerks vom Hof. Eins fällt sofort auf: Dieser Roadster ist der Hingucker schlechthin und das bereits, wenn er leicht bebend im Leerlauf an der Ampel steht. Auf den Einbau einer Start/Stop-Funktion hat Mercedes bei diesem Rennwagen übrigens verzichtet und das Beben des Motors lässt einen ungeduldig warten, dass die Ampel endlich wieder auf grün springt..

Nach kurzer Fahrt im Stadtverkehr erreichen wir das Ortsschild, jetzt wird es also ernst. Die Soundkulisse verändert sich unter sanftem Druck auf das Gaspedal schlagartig, man hört und spürt, dass dieses Auto anders ist. Es bleibt noch kurz Zeit, am unten abgeflachten und mit Alcantara veredelten Lenkrad zu drehen um sich von der direkten Wirkung der Lenkung zu überzeugen, auch die Verzögerungswirkung der Bremsen wird ausgelotet – dann geht es auch schon auf die dreispurige Autobahn.

Der Beschleunigungsstreifen macht seinem Namen alle Ehre, der Kickdown reisst den Körper förmlich in den Sitz zurück, die ersten Endorphine werden ausgeschüttet und verursachen mit kräftiger Unterstützung der Auspuffanlage ein Grinsen, das selbst nach dem Aussteigen nicht so recht weichen will. Nach unserer Auffassung gehört ein Roadster nicht auf die Autobahn aber um adäquate Straßen zu erreichen, müssen wir 20km Highway in Kauf nehmen. Und wenn wir schonmal auf der freien Piste sind, dann wollen wir das auch nutzen. Die Seitenscheiben sind, wie sich das für eine Roadstertour gehört, versenkt, entsprechend mächtig donnert uns der Fahrtwind ab 220 km/h um die Köpfe. Obwohl man merkt, dass der SLS noch genügend Reserven hat, nehme ich bei 260km/h den Fuss vom Gas. An Geschwindigkeiten von 250 km/h bin ich zwar gewöhnt, will es aber nicht auf die Spitze treiben. Nicht umsonst ist die Teilnahme an einem Fahrsicherheitstraining erforderlich wenn man einen AMG ordert, dessen Geschwindigkeit nicht – wie sonst bei Mercedes-Benz üblich – bei 250 km/h abgeriegelt ist. Der Sieg meiner persönlichen Vernunft über den Geschwindigkeitsrausch. Wir haben ohnehin bald unsere Abfahrt erreicht, schließlich wollen wir unsere Spritztour auf einsamen, kurvigen Landstraßen absolvieren.

Jetzt sind wir in unserem Element und wie es scheint, gefällt das Terrain auch dem SLS sehr gut – präzise lässt er sich um die Kurven zirkeln, ein Wanken oder Neigen tritt selbst in der Comfort-Einstellung des hart abgestimmten Fahrwerks nicht auf. Der Roadster beschleunigt beinahe schon pervers aus den Kurven – so pervers, dass man ständig die Geschwindigkeitsanzeige im Blick haben sollte. Es dauert schließlich nur einen Augenblick bis 150 km/h erreicht sind und das ist definitiv zu schnell, selbst auf völlig verlassenen Landstraßen. Unsere Routenwahl ist perfekt für dieses Auto, es gibt schnelle Kurvenwechsel, Senken und Hügel, vor denen man verzögern muß um anschließend wieder genüßlich beschleunigen zu können. Wir nutzen eine kurze Pause um die diesmal wirklich dringend erforderliche Zigarette zum Abbau des positiven Streßs zu rauchen, den Wagen aus allen Blickwinkeln zu betrachten und festzustellen, dass wir heute in einem wahrhaftigen Traum unterwegs sind: Am SLS Roadster stimmt innen wie außen einfach alles.

Für die Weiterfahrt ändern wir die Parameter der Einstellung auf der Mittelkonsole – von C wie Comfort auf zunächst S wie Sport und anschließend auf S+. Damit wird sowohl die Kennlinie des Doppelkupplungsgetriebes verändert als auch die Zwischengasfunktion aktiviert und wo der V8 vorher wie ein wirklich kräftiger Motor klang, herrscht jetzt echter Rennwagensound. Er brüllt, er spreißelt, er knallt – kurzum: dieses Auto erzeugt Geräusche, die definitiv süchtig machen können und die eine Investition in die 5.700 Euro teure Bang und Olufsen Surroundsoundanlage mit 1000 Watt überflüssig machen: Das Radio des Commandsystems blieb auf unserer ganzen Tour stumm geschaltet.

Nachdem ich nun zumindest ein wenig vertrauter mit den Fahreigenschaften und der Leistung des Fahrzeugs war, wurde es Zeit ihn auch „wie im richtigen Leben“ zu testen: Wo lässt sich der Alltag besser erleben als auf einer Bundesstraße mit hohem Lkw-Aufkommen? Erst hier zeigt sich der wahre Luxus, den ein 233.000 Euro teurer Supersportwagen darstellt. Nicht, dass der CLS 500 mit 388 PS und 530 Nm Drehmoment, den wir sonst fahren, schwach motorisiert wäre, Überholmanöver wie mit einem SLS Roadster sind damit so allerdings nicht möglich. Man tippt das Gaspedal an und wird einfach an den vorausfahrenden Fahrzeugen vorbei katapultiert. Erneut ein großes Problem in dieser Situation: Der SLS beschleunigt so derart brachial, dass es nahezu unmöglich ist, beim Überholen nicht schneller als 120 km/h zu werden, geschweige denn sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung von 100km/h zu halten.

Auf einer reparaturbedürftigen Bundesstraße offenbarte uns der SLS Roadster dann allerdings auch seine – in unseren Augen einzige – Schwäche: Das AMG Ride Control-Sportfahrwerk kann zwar zwischen Comfort, Sport und Sport plus eingestellt werden, doch bereits in der Comfort-Einstellung ist das Fahrwerk extrem hart. So zuträglich das auf der Rennstrecke sein mag, auf den in Deutschland überall zu findenden, schlechten Straßen sorgt es für wenig Komfort. Man könnte meinen, dass wir eventuell von der Luftfederung Airmatic unseres CLS verwöhnt sind und dass das in einem reinrassigen Sportwagen von AMG so sein muss, doch selbst das Fahrwerk des neuen Porsche Boxster S bietet in seiner Grundeinstellung ein wesentlich komfortableres Fahrgefühl auf schlechten Straßen als der SLS.

Unser Fazit: Der SLS AMG Roadster ist der Wahnsinn, ein absoluter Superroadster. Die Ausstattung und Verarbeitung ist vom Feinsten, seine Formen echte Leckerbissen und der Motor – er bebt, brüllt, beißt, drückt und sorgt dennoch beim Fahrer (nicht bei der Beifahrerin *sfg) für das Gefühl, stets alles unter Kontrolle zu haben. Obendrein sorgt er für diese unbeschreiblichen Emotionen, die selbst jetzt, Stunden nach dem Abschalten des Motors, noch stark nachwirken. Alleine für dieses, sorry, geile Gefühl, das dieser Traumwagen verursacht, wird der eine oder andere gerne mindestens 196.000 Euro auf den Tisch legen. Wir sind dafür leider zu vernünftig, denn selbst wenn Mercedes den Verbauch mit 13,2 Litern Super Plus im NEFZ angibt – unter zwei Euro pro Kilometer lässt sich ein SLS nicht bewegen. Hinzu kommt der harte Fahrwerks-Eindruck – wir würden dann einen SL oder eventuell sogar einen SLK (aber gerne als AMG) bevorzugen.

Wir bedanken uns auch auf diesem Weg nochmals herzlich beim Sven, der uns diese außergewöhnliche Spritztour und damit ein unvergessliches Erlebnis ermöglicht hat. DANKE!

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