Hinterm Haus liegt noch ein Gletscher, gebildet aus dem Schneefall von Ende Februar, der nur sehr zäh abschmelzen will. Auch der heftige Regenguss heute morgen um 5 Uhr konnte ihm nicht den Garaus machen, aber dafür wurde endlich mal das Salz von der Straße gewaschen. Am Nachmittag sind die Straßen trocken, aus dem durchwachsenen Himmel schaut schon eine Weile die Sonne heraus. „Wollen wir nicht vielleicht doch mal eine Runde drehen?“ fragen meine Frau und ich uns gegenseitig im Viertelstundentakt – immerhin ist doch schon der 02. März! Was sagt das Thermometer? 6 Grad. Wann geht die Sonne unter? Um 17:50 Uhr. Und wie spät ist es jetzt? 15:50 Uhr. Okay, geht los.
Ich stürze in den Carport und ziehe die Staubhülle ab. Endlich ist wieder da! Ein Druck auf den Schlüssel und die Türknöpfe kommen sofort leise hoch während die Blinker dreimal blinkt. Seit Oktober wurde einmal monatlich das Ladegerät an die Batterie gehängt, jetzt strotzt sie vor Kraft. Ich steige ein und halte inne. Mein Blick wandert über das glänzende Amaturenbrett, das gebürstete Aluminium auf das Lenkrad. „Hallo Baby, ist schon eine Weile her.“ sage ich zu mir selber. Jetzt flugs den Schlüssel ins Zündschloss gesteckt und die Zündung eingeschaltet. Strom fliesst, auf dem Amaturenbrett wird es hell, ich höre wie im Motorraum die Pumpe den Öldruck aufbaut. Ich lasse sie bis zu Ende arbeiten und halte nochmal kurz inne. Den Fuß auf das Bremspedal gesetzt und sanft dagegen gedrückt, die Augen starr auf den Drehzahlmesser gerichtet.
Zündung. Der Motor springt unmittelbar an und gibt dabei seinen wohlbekannten Klang ab – nach vier Monaten klingt es wie ein Lied aus längst vergessener Zeit. Der Blick klebt immernoch auf dem Zeiger des Drehzahlmessers, der bei 1300 Touren steht. Dann schwankt er kurz runter, fängt sich aber gleich wiederund pegelt sich erneut ein. Das Herz pocht. Kurzer Sichtcheck der OBD-Leuchte. Doch die bleibt dunkel. Wieder schwankt die Drehzahl runter, wieder fängt sie sich sofort. Kurz darauf das Ganze nochmal. Just als ich befinde, dass der Motor gut klingt pegelt sich die Drehzahl auf 800 Touren ein – Leerlaufmodus. Alles ist gut. Meine Hand umfasst den Wahlhebel und verharrt dort kurz. Keine Vibrationen, keine Auffälligkeiten. Entschlossen ziehe ich ihn auf „D“, drehe dabei das Lenkrad ganz nach links und lupfe langsam meinen Fuß von der Bremse.
Der Roadster setzt sich in Bewegung, dieses Jahr ganz ohne das bislang obligatorische Ächzen der Bremse von sich zu geben. Langsam schiebt er sich aus seiner Ecke, unter dem Dach hervor, ins Licht. Das Baby läuft! Ich wende ihn behutsam und fahre ihn wieder in den Carport. Vorwärts, rückwarts, vorwärts, alles ist wie es immer war. Den Motor lasse ich laufen, ich will nur kurz ins Haus, die Fußmatten und das Windschott holen, die Frau rufen. Als ich zurückkomme und die Fußmatten eingelegt habe, betätige ich den Dachschalter. Das Dach setzt sich in Bewegung, in halber Stellung ächzt die Hydraulik. Nicht ungewöhnlich, macht er nach jeder Winterpause, das gibt sich bald. Das Dach faltet sich in den Kofferaum, der Heckdeckel schliesst sich.
Da ist er wieder, der Roadster ohne Dach! Ich montiere schnell das Windschott, werfe mir den Windstopper über, setze Mütze und Sonnenbrille auf, schalte schonmal die Sitzheizungen ein damit meine Frau sich nicht verkühlt. Dass ich in kurzen Hosen bin, ignoriere ich ganz einfach. Meine Frau kommt und wir steigen ein. Auch sie hält kurz inne und lässt den Blick über das Wageninnere wandern bis sie mir in die Augen schaut. Wir lächeln uns an und gleichzeitig schiebt sich der Roadster rückwärts aus der Einfahrt.
Langsam geht es dann vorwärts die Piste hinab bis zur Straße. Mir steht jetzt schon ein breites Grinsen im Gesicht. Das steigert sich noch als ich zwei Nachbarn direkt gegenüber stehen sehe. Noch stehen sie mit dem Rücken zu uns. Noch. Ich biege in die Straße ein und werfe einen Blick in den Rückspiegel. Die beiden Jungs stehen jetzt am Bordstein und blicken uns sehnsüchtig nach. Wir starten zur ersten Tour des Jahres, bei 6°C, Sonnenschein und mit offenem Dach. Auf der Bundesstraße ist der Roadster gleich in seinem Element, zirkelt ruhig um die Kurven ohne Auffälligkeiten aufzuweisen.
Die Tanknadel steht kurz vor Reserve, so soll es sein. Wir fahren jetzt erstmal nach CZ um unseren Roadster mit 47,75 Litern Super Plus zu füllen. 98 Oktan werden den Ventilen und Zylindern sicher gut tun nach der langen Pause. Oben, an der tschechischen Grenze, herrschen gerade noch 2 Grad. Als ich aus der Tankstelle herauskomme wartet hinter dem SLK ein blauer Audi Kombi mit zwei jungen Burschen darauf, dass die Zapfsäule frei wird. Als sie mich in meinen kurzen Hosen und mit der Mütze aus der Tür kommen sehen steht ihnen schon der Mund offen. Der Mundöffnungswinkel vergrössert sich noch einmal um ein gutes Stück als ich auf den offenen Roadster zugehen und die Tür zum Einsteigen öffne – ihr Audi hat keine Sitzheizung, vermute ich mal.
Wir fahren von der Zapfsäule weg und halten 20m weiter noch einmal kurz an um den Wegstreckenzähler zurückzusetzen, da fällt etwas weißes Kleines in das Auto. Dann noch etwas. Und noch einmal. „Das ist Schnee.“ ruft meine Frau. Der war doch erst für 21 Uhr angekündigt. Zeit, nach Hause zu fahren, teils im leichten Schneeregen und mit offenem Dach – das haben wir bislang auch noch nicht gemacht. Aber irgendwann ist immer das erste Mal, also warum nicht mal zum Saisonstart? Nun steht der Roadster wieder im Carport, 60km hat er sich heute warmfahren dürfen. Mir schmerzt der Rücken an einer Stelle, die seit ziemlich exakt vier Monaten nicht mehr weh tat. Woher das wohl kommt? 😀
Zwei Baustellen sind allerdings noch offen:
Zum einen sind die Schalter der Tiptronic noch nicht einwandfrei instandgesetzt. Sie funktionieren zwar aber man darf sie nur ganz sachte bewegen um nicht noch weiteren Schaden anzurichten. In den nächsten Tagen werden wir die Mittelschaltung ausbauen lassen und an jemanden schicken, der solche Teile mit dem Lötkolben repariert.
Zum zweiten hatte der Gierratensensor des ESP-Systems Fehlermeldungen ausgelöst. Heute blieb die ABS/ESP-Leuchte jedoch erstmal aus – wir werden das zunächst weiter beobachten denn der winzige Querbeschleunigungssensor kostet stolze 500 Euro als Ersatzteil.