Sternzeit 189.674: Wie an diesem Kilometerstand leicht abzulesen ist, hat der SLK gerade mal 8.070 Kilometer in den vergangenen 869 Tagen zurückgelegt. Ja, in diesen Zeiten gibt es wahrlich Wichtigeres als hedonistischem Vergnügen zu fröhnen und entsprechend ist der Roadster vom Hobby zum (selten genutzten) Fortbewegungsmittel verkommen. Da er nicht mehr der Jüngste ist – immerhin ist er schon 20 Jahre alt – kam es dabei doch zu einigen wenigen Vorfällen, die durchaus einen Eintrag im Roadsterlog verdienen. Asche auf mein Haupt. Das will ich nun gerne nachholen.
August 2019, ein herrlich heißer Sommertag, parkend in einer Seitenstraße der Rostocker Innenstadt. Mitten im Dachöffnungsvorgang gibt es seltsames Geräusch, dann bleibt das Variodach auf halbem Weg stecken. Die Dachhydraulik versagt den Dienst. Katastrophe. Mit Hilfe des Bordbuches lässt sich das Dach manuell schließen und verriegeln, die hinteren kleinen Seitenscheiben bleiben unten. Der erste Vorfall mit dem Stahlklappdach in 10 Jahren. Daheim angekommen, Schadensanalyse. Im Kofferraum rechts sifft Hydrauliköl aus der Verkleidung. Nach dem Entfernen der Abdeckung wird schnell klar, daß der Schaden nicht groß ist: Bei dem Anschluss einer Hydraulikleitung hat sich die Kontermutter gelöst. Das Auffüllen des Hydrauliköls mittels einer Spritze ist Fummelarbeit und nervtötend; letzteres jedenfalls, wenn man nicht bedenkt, daß der Füllstand nach dem ersten Öffnungsvorgang nochmals angepasst werden muss, weil das System Öl zieht. Schlimmer als der Schreck und die Fummelarbeit ist bei diesem Vorfall die Siffe im Kofferraum.
Im Juni 2020 macht der Roadster seine größte Tour im vergangenen Zeitraum und quert die Elbe. Auf dem Heimweg regnet es in Strömen, zwei Stunden lang ohne Unterlass und als wir nach 16 Stunden endlich wieder daheim sind, ist es längst finstere Nacht. Müde und unkonzentriert setzte ich den SLK rückwärts in den Carport. Erst gibt es fürchterliches Geräusch, dann einen Ruck. Mein Weib, das aus Platzgründen vor dem Einparken aussteigen muss, hüpft entsetzt und hektisch winkend vor der dem Wagen herum. Ich bin einen Tick zu weit links geraten, die unterste linke Kante der Frontschürze bleibt am am Balkenschuh des Mittelpfostens hängen, die Frontschürze zieht es seitlich raus. Als ich den Schaden betrachte, ist mir nach heulen zumute. 110.000 Kilometer unfallfrei und dann so eine Unachtsamkeit. Das war wirklich unnötig. Den Schaden am nächsten Tage bei Tageslicht betrachtet: Das Plastik der Frontschürze ist unten gerissen, drei Nieten hat’s geschreddert. Mit sanfter Gewalt lässt sich die Schürze wieder einigermaßen in Position bringen, die Spaltmaße passen natürlich nicht mehr, insbesondere vor dem linken Scheinwerfer klafft ein – für mein subjektives Empfinden unerträglich großer – Spalt. Irgendwann lass ich das richten. Bis dahin wird die Frontschürze dann und wann bei Bedarf wieder in Position gedrückt. Ja, es gibt derzeit Wichtigeres als Autos, selbst wichtiger als der Roadster.
Kurze Zeit darauf ertönt ein Piepton beim Starten. Der Roadster meldet, er müsse zum Service. Es ist doch noch gar nicht lange her, als ich die Service-Intervallanzeige geprüft und 13.000 Kilometer Restlaufzeit angezeigt bekommen habe!? Mercedes-Benz stellt das gewitzt an: Wenn man nicht genügend Kilometer in einem bestimmten Zeitraum zurücklegt, werden nicht mehr die Kilometer sondern die verstrichene Zeit für den Service heran gezogen. Das sehe ich nicht ein und so ertönt für den Rest der Saison ein Piepton beim Anlassen, um mich daran zu erinnern, daß mein Auto jetzt dringend Service braucht. Freilich könnte ich die Intervallanzeige selbst zurück setzen, aber dann laufe ich Gefahr, ihn tatsächlich zu vergessen und das will ich auch nicht.
Apropos vergessen: Beim Winterfestmachen Ende Oktober 2020 fällt der Blick beim Polieren des Heckdeckels zufällig auf das HU-Siegel. TÜV abgelaufen, die Hauptuntersuchung wäre im April fällig gewesen. Früher wäre mir das nicht passiert.
Und wo wir gerade vom Winterfestmachen sprechen: Für die Jahresendpolitur habe ich mir eine gebrauchte Poliermaschine geschossen. Damit ist die bisherige Quälerei Saisonende ratzfatz erledigt. Kehrseite und Wermutstropfen dabei ist, daß der Lack nun so glänzt, daß eine minimale Delle auf dem Heckdeckel neben dem Stern ins Auge fällt. Man sieht sie nur bei bestimmten Lichteinfallswinkel, aber wie das so ist, wenn man derlei entdeckt: Man kann den Blick nicht mehr von diesem Makel wenden, er springt einem buchstäblich permanent ins Auge. Es ist unerklärlich, wie eine solche Delle an dieser Stelle entstanden sein kann, und während der Geist krampfhaft nach Erklärungen sucht, flucht der Kerl in sich hinein. Delle am Heckdeckel, Frontschürze links und auch die Schmarre neben dem linken Radlauf ist seit Jahren unerledigt. Irgendwann, als Gesamtpaket, vielleicht… im Moment gibt es Wichtigeres als Autos.
Der Saisonstart 2021 kommt entsprechend spät. Die fällige HU im Hinterkopf melde ich den Roadster am 9. März in der Werkstatt meines Vertrauens an, Termin 16. März. Bis dahin bleibt der SLK im Winterschlaf. Zur Werkstatt fährt ihn mein Weib, sodaß sich mein Saisonstart auf das Abklemmen des Batterieerhaltungsgeräts und das Ausparken aus dem Carport beschränkt. Kurze Drehzahlschwankung nach dem Anlassen, wie ein verschlafenes Gähnen nach vier Monate langem Winterschlaf, dann schnurrt das Kätzchen.
Die HU verläuft erwartungsgemäß: Nichts zu beanstanden, aber 16,80 Euro Verzugszinsen für ein Jahr Verzögerung bei der Dekra-Zwangsabgabe. Den Hinweis auf die in Kürze verschlissenen Reifen der Vorderachse kann sich der Dekra-Prüfer nicht ersparen. „Leben und leben lassen“ denke ich mir, als mir beim Abholen ein saftiges Angebot für zwei frische Pneus präsentiert werden: „Michelin PS2 gibt es nicht mehr, da nehmen wir PS4“. Zweimal Sommerreifen Michelin PS4 225/40 R18 92Y für 304 Euro. Die PS2 auf der Hinterachse sind im Prinzip noch neuwertig, Mischbereifung ist aus meinen Augen ein Unding und nicht zuletzt ist der Mensch ein Gewohnheitstier. Zuhause also flugs die Suchmaschine bedient und zwei Michelin PS2 (die, die es laut Werkstatt nicht mehr gibt) für insgesamt 208 Euro inklusive Versand geschossen. Die lasse ich irgendwann im Frühsommer aufziehen und wenn der Roadster schon mal in der Werkstatt ist, dann lassen wir auch gleich den Lenkungsdämpfer rechts tauschen. Nichts Kritisches aber wie man hört, hat er begonnen, leicht zu ölen.
Kassensturz: Dekra-HU 148 Eus, Service 200 Eus, zwei Reifen 208 Eus. Dazu ein Angebot für den Lenkungsdämpfer 110 Eus, dazu die obligatorische Achsvermessung 95 Eus, Reifenaufziehen 25 Eus. Oh, und ein neues Verbandszeug für 10 Euro, weil das Verfallsdatum überschritten war. Summasummarum 796 Euro. Stolze Summe für ein Fahrzeug, das zunehmend zum Stehzeug wird. Es gibt Wichtigeres als Autos, Teureres existiert in meinem aktuellen Lebensumfeld derzeit nicht.